Die Diversitätsstrategie an der RUB
Die Diversitätsstrategie der RUB
Das Ziel der Diversitätsstrategie der Ruhr-Universität Bochum ist, dass Menschen in ihrer ganzen Vielfalt in Forschung, Lehre, Studium und Verwaltung inkludiert werden und ihre Talente frei entfalten können. Die Differenzen von Schwarz/ Weiß, deutsch/nicht-deutsch, weiblich/männlich sollen keine diskriminierende Rolle spielen. Sie sind mit Blick auf akademische und administrative Fähigkeiten und Leistungen nicht relevant. Diversitätspolitik versucht deshalb, sich gezielt und bewusst mit Stereotypen und struktureller Ungleichheit auseinanderzusetzen und Diversitätskategorien sichtbar zu machen, sie zu thematisieren und über sie aufzuklären. Nur so ist es möglich, Diskriminierung wahrzunehmen und gegen sie vorzugehen. Das heißt: Die Differenzen werden betont und hervorgehoben mit dem Ziel, dass sie in den Hintergrund treten und lediglich als Facetten einer vielfältigen Gemeinschaft wahr- genommen werden. Mit dieser Paradoxie – Betonung und zugleich Relativierung von Differenzen – muss Diversitätspolitik strategisch klug umgehen.
Die hier vorgelegte Diversitätsstrategie verfolgt dabei drei verschiedene Ziele: Es geht um Normalisierung, Empowerment und Dekonstruktion bzw. eine Infragestellung von Normalitäts- vorstellungen. (1 Fußzeile: Diese Systematisierung geht zurück auf Mai-Anh Boger, Politiken der Inklusion. Die Theorie der trilemmatischen Inklusion zum Mitdiskutieren, Münster 2019.) Dem ersten Ziel entspricht das Recht der „Anderen“ auf Teilhabe, dem zweiten das Recht, die eigene Identität zu behaupten, um Selbstbewusstsein zu entwickeln, dem dritten das Recht, Normalisierung zu verweigern. Für alle drei Ziele finden sich Betroffene, alle drei haben ihre Berechtigung. Es ist aber nicht möglich, allen Ansprüchen auf einmal gerecht zu werden, es gilt vielmehr sich klarzumachen, welchen Ansprüchen man mit einer bestimmten Strategie gerade gerecht wird und welchen nicht
So ist Identitätspolitik als Strategie des Empowerment für viele wichtig, weil die Differenz zur „Normalität“ ein identitätsstiftender Anker für sie ist und sie in safe spaces ihre Diskriminierungserfahrungen ohne Angst vor Verletzung thematisieren können. Zugleich tendiert die identitätspolitische Perspektive des Empowerment dazu, sich nach außen abzuschließen und genau die Kategorien und Zuschreibungen, die der Diskriminierung zugrundeliegen, zu bestätigen und nicht etwa infrage zu stellen. Die Strategie der Normalisierung zielt zwar auf Teilhabe ab, nimmt dabei aber betroffene Personen als defizitär wahr – zum Beispiel die behinderte Person oder das sogenannte Arbeiterkind.
„Mehr Vielfalt und Antidiskriminierung bedeutet mehr Freiheit, mehr Selbstbestimmung, mehr Selbstentfaltung.“
Beide brauchen einen „Nachteilsausgleich“, um an der „Normalität“ erfolgreich teilhaben zu können. Diese Perspektive ist in vieler Hinsicht hilfreich, weil sie Teilhabe im Wissenschaftssystem bzw. an der Universität ermöglicht und ungleiche Bedingungen berücksichtigt. Zugleich wird die „Normalität“ nicht in Frage gestellt und erscheint die Behinderung oder Herkunft grundsätzlich als Problem. Ganz anders ist dies bei der Strategie der Dekonstruktion, in der die „Normalität“ und bestehende Ordnung problematisiert wird: Warum das „Arbeiterkind“ eigentlich defizitär beschreiben, hat es doch im Gegensatz zu manch bürgerlichen Studierenden gelernt, sich auch gegen Widerstände durchzusetzen? Und ist die Zuschreibung „Arbeiterkind“ überhaupt von Belang oder weist sie einer Person womöglich eine Identität bzw. „Opferrolle“ zu, die für sie keine Relevanz (mehr) hat? Ein „Arbeiterkind“ zu sein, wird aus der Perspektive der Dekonstruktion nicht als Nachteil interpretiert, sondern als gleichwertige Lebensform. Es geht demzufolge nicht darum, sich als vermeintlich defizitäres Arbeiterkind an eine „Normalität“ anzupassen, sondern sich erfolgreich von ihr und den Fremdbewertungen, die mit ihr einhergehen, zu emanzipieren und die daraus erwachsenen Fähigkeiten als Ressource zu nutzen. Aus dieser Sicht wären eher Fördermaßnahmen für Akademikerkinder empfehlenswert, durch die diese lernen, ihren eigenen Habitus kritisch zu reflektieren.
Jede Perspektive hat ihr Recht und zugleich ihren blinden Fleck. Es wird überdies deutlich, warum die unterschiedlichen Strategien miteinander in Konflikt geraten und sogar geraten müssen. Mit diesen Spannungen gilt es, Diversitätspolitik zu betreiben, sich manchmal um Benachteiligte zu sorgen und es manchmal zu lassen, weil es paternalistisch wäre, Hilfe anzubieten und sich diese in aller Regel an der bestehenden Ordnung orientiert. So gilt es, sensibel zu sein für die Exklusionen, die jede Inklusionsstrategie mit sich bringt, und gelassen zu bleiben, weil es ein- fache Lösungen nicht gibt. Es bedarf eines punktuellen, situationsspezifischen und reflektierten Wechsels der Strategie. Es gibt nicht „die“ Lösung für alle. Es geht vielmehr um ein experimentelles Vorgehen, das sich locker hält, Sackgassen zu vermeiden sucht und um die Komplexität von Diversitätspolitik weiß. Dies wird an der Ruhr-Universität durch einen regelmäßigen Austausch unter den Verantwortlichen sichergestellt.
Diversitätspolitik steht grundsätzlich in der Gefahr, paradoxe Effekte hervorzurufen. Deshalb ist es elementar, klug, pragmatisch und mit Augenmaß vorzugehen, damit es nicht zu einer Diversity Fatigue kommt. Dieses Phänomen beschreibt, dass Personen desensibilisiert und uninteressiert an Diversity- und Inklusionsbemühungen werden. Zu viel kommunizierte Ansprüche und subjektiv empfundene Irritationen mit Blick auf das eigene Gefühl für Normalität tragen zur Diversity Fatigue bei. Um dem entgegenzuwirken, legen wir großen Wert darauf, Maßnahmen zur Förderung von Diversität nicht als reine Top- down-Vorgaben zu gestalten, sondern alle interessierten Hochschulangehörigen in Gespräche einzubinden und ihre Perspektiven zu berücksichtigen. Zudem reflektieren wir laufend die Sinnhaftigkeit und den Mehrwert der Diversity-Initiativen, um Maßnahmen zu evaluieren und ein gemeinsames Verständnis und Engagement für mehr Chancengerechtigkeit zu fördern.
Die Ruhr-Universität Bochum ist als Universität des Ruhrgebiets eine hoch diverse Institution. Sie ist geprägt von einer Region, die in den letzten Jahrzehnten viele Transformationsprozesse durchlaufen hat, das gilt insbesondere für Bochum, z. B. mit Blick auf die Transformation der ehemaligen Opelwerksfläche in einen Industrie-, Technologie- und Wissenscampus. Das Motto der Universität built to change steht deshalb paradigmatisch für das Ruhrgebiet und die Kultur der Ruhr-Universität, die sich immer schon als Reformuniversität begreift. So war es von Anfang an Programm der RUB, First Generation Students (sogenannte Arbeiterkinder) und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in das Universitätssystem zu inkludieren und für die universitäre Bildung zu begeistern. Inzwischen sind fast die Hälfte der Studierenden Erstakademiker*innen. Mehr als ein Drittel unserer Studierenden haben eine internationale Familiengeschichte, über 20 % geben an, dass sie eine andere Muttersprache als deutsch haben, etwa 20 % besitzen keine deutsche Staatsangehörigkeit. (2 Fußzeile: Studie zu Diskriminierungserfahrungen unter Studierenden an der Ruhr-Universität Bochum aus 2021.)
Darüber hinaus haben wir 16 % internationale Studierende. Internationalisierung und Diversität sind in Bochum deshalb eng miteinander verknüpft und bereichern die Universität. Auch mit Blick auf die Frauenförderung setzte die Ruhr-Universität schon früh Zeichen und berief bereits in ihren Anfangsjahren Frauen auf Professuren. Heute hat die Ruhr-Universität einen überdurchschnittlich hohen Anteil an weiblichen Professorinnen, der sich von 11 % im Jahr 2004 auf 33 % im Jahr 2024 steigerte. Als erste Universität in Deutschland führte sie im Jahr 1986 das Amt der Frauenbeauftragten ein.
Eine zentrale Herausforderung der Diversitätsstrategie ist es, die Bereiche Diversität, Gleichstellung und Inklusion so miteinander zu verzahnen, dass Gleichstellung und Inklusion, die beide gesetzlich verankert sind, weiterhin eigenständig bearbeitet und repräsentiert werden und zugleich effektiv mit anderen Diversitätsdimensionen und ihren intersektionalen Verschränkungen unter dem Dach des Prorektorats Diversität koordiniert und zusammengedacht werden. Es sollen Synergieeffekte entstehen, Konkurrenzen vermieden und gemeinsam an Chancengerechtigkeit für alle Statusgruppen gearbeitet werden.
„Diversität bedeutet für mich Anerkennung in Vielfalt.“
Es geht bei Diversitätspolitik nicht nur um die Sichtbarkeit von Diversität und die Bereicherung des Universitäts- und Campuslebens durch vielfältige Perspektiven (diversity is our strength), sondern auch um Antidiskriminierung. Viele Studierende an der RUB haben bereits Diskriminierungserfahrungen gemacht. (Fußnote 3: Studie zu Diskriminierungserfahrungen (s.o.), auch zum Folgenden.) Das betrifft insbesondere weibliche, behinderte, arme, queere und muslimische Studierende sowie Studierende mit inter- nationaler Familiengeschichte und internationale Studierende. Unter den Menschen mit internationaler Familiengeschichte sind viele Personen, die Rassismus in ihrem Alltag erleben. Jüdische Studierende sind verstärkt mit Antisemitismus konfrontiert. Diskriminierung ist dabei nicht nur ein moralisches Problem, sondern wirkt sich auch signifikant negativ auf die Leistungsfähigkeit im Studium und die psychische Gesundheit aus. Auch Beschäftigte in Wissenschaft, Technik und Verwaltung haben mit Diskriminierungserfahrungen zu kämpfen, die sich ähnlich negativ auswirken. Die Ruhr-Universität setzt sich deshalb ausdrücklich dafür ein, dass sich alle Studierenden und Beschäftigten sicher auf dem Campus bewegen können – frei von Angst vor Bedrohungen, Einschüchterungen oder Übergriffen.
Strukturell ist Antidiskriminierung bei der Anti- diskriminierungsstelle sowie bei der Gleichstellungs- und der Schwerbehindertenvertretung, den Inklusionsbeauftragten und der Beauftragten für Studierende mit Behinderung auf zentraler Ebene verankert. Die vom Senat im Januar 2023 verabschiedete Antidiskriminierungsrichtlinie verpflichtet darüber hinaus alle Universitätsmitglieder dazu, Diskriminierung nach Möglichkeit zu verhindern und aktiv gegen sie vorzugehen. Die Richtlinie legt definierte Grundsätze und Handlungsrichtlinien fest und informiert alle Hochschulangehörigen über ihre Rechte in Fällen von Diskriminierung sowie die Führungskräfte und Lehrenden über ihre Pflichten und ihre Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitenden und Studierenden.
Wir streben an der Ruhr-Universität an, die Diversitätspolitik sowie die Talentförderung kontinuierlich weiterzuentwickeln, um Diversität in den Strukturen der Universität noch besser zu verankern und die Qualität der Teilhabe in allen Bereichen zu verbessern. Dieses Vorhaben wird unterstützt von der innovativen RUB Talententwicklung, die von den Talentscouts an Schulen und dem Lehramtsstipendium Ruhr für an Bildungsgerechtigkeit interessierte Lehramtsstudierende bis zur Beteiligung an der Bildungsinitiative RuhrFutur reicht, über die u. a. „Talents4Teachers“ im Ruhrgebiet geworben werden. Projekte für die Integration internationaler Student*innen und Forscher*innen wie die Studienbrücke, Students at Risk oder Studienspur, für Scholars at Risk oder ukrainische Flüchtlinge sind in der 2024 wesentlich erweiterten Internationalisierungsstrategie aufgehoben. Der Absatz „Wir leben Freiheit und Vielfalt in Lehre und Studium“ des Leitbilds Lehre und Studium sowie die RUB-Mitgliedschaft im europäischen Universitätsnetzwerk The European University of Cities in Postindustrial Transition (UNIC) mit seinem UNIC-Joint Degree Studien- gang Superdiversity in Organisations, Education and Society bekräftigen die Verpflichtung zu den elementaren universitären Werten von Diversität und Teilhabe.
„Diversity bedeutet für mich, dass alle Menschen mit ihren Merkmalen gesehen werden.“
Auch mit Blick auf die Nachhaltigkeitsstrategie der RUB ergeben sich Berührungspunkte. Das betrifft besonders die soziale Nachhaltigkeit. Soziale Nachhaltigkeit bedeutet, dass Chancengleichheit, soziale Gerechtigkeit und starke Gemeinschaften gefördert werden. Das ist für die Ruhr-Universität schon allein deshalb von besonderem Interesse, weil bei ihr viele Studierende mit prekären finanziellen Ressourcen studieren, die unter vielfältigen Belastungen stehen und mit deutlich mehr Risiken leben müssen als finanziell abgesicherte Studierende. Die Ausweitung der Stipendienkultur, der Ausbau von Peer Unterstützung sowie mehr Erwartungssicherheit mit Blick auf akademische Karrieren sind deshalb zentrale Anliegen, die wir verfolgen. Die „Neuen Karrierewege“ für Early Career Researcher legen deshalb auf verlässliche und transparente Rahmenbedingungen besonderen Wert.
Die Ruhr-Universität sieht in der Vielfalt ihrer Mitglieder eine wesentliche Stärke. Sie verfolgt das Ziel, dass jede Person unabhängig von ihrem Geschlecht sowie ihrem kulturellen, sozio-ökonomischen und biographischen Hintergrund ihre Talente frei entfalten kann. Für eine moderne Universität, die Spitzenleistungen in der Wissenschaft anstrebt, ist es entscheidend, alle verfügbaren Begabungsressourcen zu nutzen. Der Mehrwert von divers zusammengesetzten Forschungsteams ist wissenschaftlich belegt. So hat die Gender- und Diversitätsmedizin zu einem Paradigmenwechsel in der Medizin geführt und schon vielen Menschen das Leben gerettet. Die Vielfalt der Perspektiven und Erfahrungshintergründe in einem divers zusammengesetzten Forschungsteam führen zu neuen Forschungsfragen, innovativen Ansätzen und interkulturellen Lernerfahrungen. Es ist des- halb elementar, Frauen, Erstakademiker*innen, Menschen mit Care-Verpflichtungen, mit internationaler Familiengeschichte, mit queerer Identität, mit Behinderung oder chronischer Erkrankung, neurodivergenten Personen sowie internationalen Hochschulangehörigen eine vollständige Teilhabe am Wissenschaftssystem bzw. am Arbeitsplatz Ruhr-Universität zu ermöglichen.
Der 2022 durchgeführte Leitbildprozess hat gezeigt, dass bei vielen Universitätsmitgliedern ein vergleichsweise hohes Maß an Zugehörigkeitsgefühl zur Ruhr-Universität zu erkennen ist. Dieser sense of belonging ist für alle Diversitätskategorien relevant und fließt in die diversitätsstrategischen Überlegungen ein. Ein sense of belonging wirkt einer Zersplitterung der universitären Gemeinschaft in viele unterschiedliche Gruppen (Identitäten) entgegen. Er ist zugleich elementar, um sich als integraler Teil der Gemeinschaft zu erfahren und motiviert zu sein, die Universität mitzugestalten. Nicht zuletzt mit Blick auf internationale Hochschulangehörige gilt es, das Communitybuilding auszubauen – sie fühlen sich oft in besonderer Weise vulnerabel und auf sich allein gestellt. Ein wichtiger Schritt hierzu ist das Welcome Office der Stadt Bochum, das auf Betreiben der RUB 2025 eröffnet wurde.
Die RUB trägt mit ihrer inklusiven und gemeinschaftsfördernden Diversitätspolitik zu einer wert- schätzenden Kultur und Umgebung bei, in der sich ihre Mitglieder entfalten und ihre Leistungen erbringen können. Dabei ist auch die Statusgruppendiversität zu berücksichtigen. In der hierarchisch gegliederten Universität machen Studierende, Mitarbeitende in Technik und Verwaltung, Early Career Researcher und Professor*innen unterschiedliche Erfahrungen mit Marginalisierung und Anerkennung. Um das Zugehörigkeitsgefühl aller Gruppen zu stärken, ist es elementar, die Rahmenbedingungen und Bedarfe der jeweiligen Statusgruppe zu reflektieren sowie Maßnahmen zu entwickeln, die Machtmissbrauch gezielt entgegenwirken.
Ein sense of belonging ist entscheidend für das Erreichen institutioneller und akademischer Exzellenz, da er eine ganzheitliche Perspektive auf Diversität und Inklusion zum Ausdruck bringt und sich unmittelbar auf die Universitätskultur auswirkt. Zu erleben ist dies beispielsweise auf dem jährlich stattfindenden Diversity Day, der die Vielfalt und Zusammengehörigkeit der Universitätsgemeinschaft erlebbar macht und feiert.
Exzellenz verstehen wir aus Diversitätsperspektive als inclusive excellence – sie fördert die Bestenauslese, indem sie diejenigen bewusst wahrnimmt und in die scientific community inkludiert, die bislang nicht oder zu wenig im Fokus standen. Sie bezieht sich nicht nur auf wissenschaftliche Karrieren, sondern auch auf die erfolgreiche Ausbildung von Studierenden, die durch ihr Studium auf eine hochdiverse Gesellschaft vorbereitet werden sollen.
Das Rektorat der Ruhr-Universität versteht Diversität als integralen Bestandteil der Hochschulentwicklung. Das Thema Diversität ist deshalb als Querschnittsthema in den Bereichen Studium, Lehre, Forschung, Verwaltung, Organisations- und Personalentwicklung nachhaltig verankert. Diversität ist dabei als eigenes Thema sichtbar und diffundiert zugleich als selbstverständlicher Teil der Hochschulpolitik in die Strukturen der Universität hinein.
Strukturell ist das Thema Diversität beim Rektorat durch das Prorektorat für Diversität, Inklusion und Talententwicklung angesiedelt, das die Governance innehat und für eine nachhaltige Sichtbarkeit des Themas sorgt. Es war eine strategische Entscheidung im Jahr 2021, ein Prorektorat für Diversität zu schaffen und Diversität als Aufgabe des gesamten Rektorats zu verankern. Im Zuge dessen wurde eine Universitätskommission für Diversität eingerichtet, die den Senat und das Rektorat in Fragen der Diversität berät und Richtlinien und Handlungsempfehlungen verabschiedet. Die Antidiskriminierungsstelle ist dem Prorektorat inhaltlich zugeordnet. Die*der Antidiskriminierungsbeauftragte berät Universitätsangehörige, die von Diskriminierung betroffen sind, sie unterstützt Einrichtungen beim Umgang mit Diskriminierungsvorkommnissen, führt Fortbildungen durch und arbeitet an der Entwicklung von Diversitätsmaßnahmen mit. Das Projekt Unser Campus ist der Antidiskriminierungsstelle zugeordnet. Es befasst sich mit Sexismus und sexualisierter Gewalt im Hochschulkontext und führt Fortbildungen sowie Kampagnen durch. Außerdem berät es Personen und Einrichtungen mit Blick auf Awareness-Maßnahmen.
Die RUB setzt sich in Studium, Wissenschaft, Technik und Verwaltung für Gleichstellung ein. Die zentrale Gleichstellungsbeauftragte ist die zentrale Ansprechperson und wirkt in den universitären Gremien und Kommissionen auf Geschlechtergerechtigkeit hin. Sie wird von der Gleichstellungskommission beraten. Gleichstellung ist zugleich eine Querschnittsaufgabe, für die sich alle Bereiche engagieren. Im Rahmenplan für Gleichstellung werden auf zentraler Ebene die damit verknüpften Aufgaben und Ziele definiert. Mit den Fakultäten und zentralen wissenschaftlichen Einrichtungen existieren Zielvereinbarungen, die selbst wiederum integraler Bestandteil der verbindlichen Perspektivvereinbarungen zwischen Rektorat und Fakultäten sind. Sie dienen als Leitfaden für konkrete Maßnahmen und Strategien, um sicherzustellen, dass Frauen in den Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, gefördert werden. Nach wie vor existiert im akademischen Bereich eine leaky pipeline: Wir haben zwar eine Geschlechterparität bei den Studierenden erreicht, doch je weiter nach oben sich die wissenschaftliche Karriereleiter dreht, desto geringer ist der Anteil von Wissenschaftlerinnen. Insbesondere in den sogenannten MINT Fächern ist ein deutlicher Nachholbedarf zu erkennen. Unsere Mentoring-Programme, die unconscious bias Trainings sowie geschlechtergerechte Berufungsverfahren sind Beispiele für die nachdrücklichen Bemühungen der RUB, für Gleichstellung und Chancengerechtigkeit ein- zutreten. Das Rektorat hat sich darüber hinaus darauf verpflichtet, aktiv und gezielt den Gender Pay Gap abzubauen. Aufgrund der vielfältigen Instrumente und Maßnahmen wurde der RUB 2025 das Prädikat „Gleichstellungsstarke Hochschule“ im Professorinnenprogramm 2030 des Bundes und der Länder verliehen. Das gilt es fortzuführen und weiterzuentwickeln.
Dem Gleichstellungsbüro mit der oder den zentralen Gleichstellungsbeauftragten entsprechen auf dezentraler Ebene die dezentralen Gleichstellungsbeauftragten. In Analogie dazu wurden an der RUB auch dezentrale Diversitätsbeauftragte in den Fakultäten etabliert, um vor Ort für Anliegen der Diversitätspolitik ansprechbar zu sein. Um dezentrale Engagements sowie die Kooperation von dezentralen Gleichstellungs- und Diversitätsbeauftragten zu fördern, wurde 2024 das Lore Agnes Vision Programm entwickelt, das den Fakultäten jährlich Mittel für die Umsetzung von Gleichstellungs- und Diversitätsaktivitäten zuweist. Im Rahmen des Lore Agnes Vision Programms werden überdies Personen mit einem Award ausgezeichnet, wenn sie sich neben ihren regulären Aufgaben für Diversitätsthemen an der Universität besonders eingesetzt haben.
Der Hochschulentwicklungsplan bildet ein zentrales Instrument, das die strategische Ausrichtung und Entwicklung der Universität steuert sowie die langfristigen Ziele der Universität festlegt. Dabei geht es darum, Diversität, Gleichstellung und Inklusion als Querschnittsthemen in den Blick zu nehmen und in jedem Bereich mitzudenken. Mit Blick auf die Forschung geht es um die nach- haltige Verankerung der Gender- und Diversitätsforschung, auch im Verbund mit der Universitätsallianz Ruhr. Mit Blick auf die Lehre strebt die RUB eine diversitätssensible Weiterentwicklung der Studiengänge und Lehre an. Darüber hinaus werden zwischen Rektorat und der jeweiligen Fakultät bzw. Zentralen wissenschaftlichen Einrichtung (ZWE) in einem dialogischen Verfahren Perspektivvereinbarungen abgeschlossen, die die strategischen Ziele des Hochschulentwicklungsplans aufnehmen und in denen sich die Fakultäten bzw. ZWEs auf wesentliche Entwicklungsziele verpflichten.
16 % der Studierenden haben in Deutschland eine studienerschwerende Behinderung oder chronische Erkrankung. Zentrale Ansprechpartnerin für diese Studierenden an der RUB ist die Beauftragte für die Belange von Studierenden mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen. 2023 haben Rektorat und Senat darüber hinaus einen umfassenden Inklusionsplan für Studium und Lehre mit einer umfangreichen Maßnahmenliste verabschiedet, um ein barrierefreies und inklusives Lernumfeld zu schaffen. Zentrale Ziele dieser Inklusionsstrategie sind die Umsetzung von Nachteilsausgleichen in Prüfungen und Prüfungsordnungen sowie deren inklusionsfachliche Begleitung, Empfehlungen zu inklusiver Lehre und einer barrierefreien Hochschulkommunikation. Der Runde Tisch Inklusion berät und empfiehlt der UKD regelmäßig von Studierenden und Beschäftigten initiierte Projekte, die die Barrierefreiheit für Studierende in den Fakultäten fördern. Bei der Kommunikation dieser Fördermöglichkeit und als dezentrale Akteure für Inklusion unterstützen von den Fakultäten benannte Inklusionsmultiplikator*innen. Die RUB profitiert bis voraussichtlich 2026 von dem Förderprogramm Inklusive Hochschule des Landes. Für die Zukunft gilt es, das Erreichte sicherzustellen und weiterzuentwickeln, dies insbesondere mit Blick auf die Kontaktstelle barrierefreie Prüfungen (KoBaP), die sich als unverzichtbar erweist. Darüber hinaus ist eine Inklusionsstrategie für Wissenschaftler*innen und Beschäftigte zu entwickeln. Immer noch wird eine Behinderung oder chronische Erkrankung von vielen Wissenschaftler*innen und Beschäftigten als stigmatisierend wahrgenommen. Betroffene fürchten Nachteile, wenn sie sich als schwerbehindert oder chronisch krank outen. Deshalb machen zu wenige von ihrem Recht auf Anerkennung ihrer Schwerbehinderung Gebrauch. Für das Thema Behinderung und Ableismus ist eine weitreichende Sensibilisierung erforderlich. Wir streben eine zielgerichtete Beratung für die Ziel- gruppe sowie eine umfassende Optimierung der Rahmenbedingungen – einschließlich baulicher Barrierefreiheit – für alle behinderten und/oder chronisch kranken Mitarbeitenden an.
„Diversity means for me: more interesting experiences, exposure to new things.“
Mit Blick auf queere Menschen haben wir All Gender Sanitäranlagen und eine signifikante Anzahl von All Gender WCs durch Umwidmung bestehender Toilettenanlagen eingerichtet. Wir haben ferner eine Handreichung für eine genderinklusive Sprache entwickelt, denn Diversität ist nicht nur strukturell, sondern auch kommunikativ zu verankern. Künftig gilt es, diese Maßnahmen in einem gesellschaftspolitischen Klima, das nicht- heterosexuelle, non-binäre/diverse und trans Menschen zunehmend unter Druck setzt, zu verteidigen und queere Menschen vor Angriffen zu schützen.
Zur Stärkung der Vereinbarkeit von Studium oder Beruf und Familie für (vor allem weibliche) Studierende und Beschäftigte engagiert sich die RUB seit Jahren für die Etablierung einer familiengerechten Hochschulkultur. Sie hat viele Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit initiiert und umgesetzt. Bei der „Stabsstelle Familiengerechte Hochschule“ ist das Thema nachhaltig verankert. Trotz der eigenen Kindertagesstätte UniKids und Belegplätzen in anderen Kitas sind die Kapazitäten noch nicht ausreichend. Die Ruhr-Universität ist bestrebt, ihr Platzangebot auszuweiten, die Rahmenbedingungen für studierende und arbeitende Eltern zu verbessern sowie Universitätsangehörige bei der Pflege von Angehörigen zu unterstützen.
Ein Thema, das bei Diversität nicht selten vernachlässigt wird, ist religiöse Vielfalt. Dabei sind auf diesem Feld interkulturelle Lernprozesse besonders wertvoll, weil hier gesellschaftliche Auseinandersetzungen im Kleinen ausbalanciert werden. Die Ruhr-Universität hat viele muslimische Studierende und Mitarbeitende, für die das regelmäßige Gebet ein Bedürfnis ist. 2022 wurde ein Raum der Stille im Mensagebäude eingerichtet, der als Rückzugsort allen Universitätsangehörigen, die beten möchten, Ruhe suchen oder etwas für ihr psychisches Wohlbefinden tun wollen, offensteht. Eine 2024 durchgeführte Studie zeigt, dass der Raum der Stille bei den unterschiedlichen Besucher*innen (religiös wie nicht religiös) auf positive Resonanz stößt. Ein Beirat sorgt dafür, dass die Konzeption in Kooperation mit dem AKAFÖ immer wieder überdacht und weiterentwickelt wird. Das Thema Religion ist des Öfteren konfliktbehaftet, wie die Debatte um den Nahostkonflikt zeigt, die in hiesige Erfahrungen des Antisemitismus sowie in antimuslimischen Rassismus münden kann. Deshalb ist es elementar, an der Universität Informationsveranstaltungen anzubieten, öffentlich über politisch kontroverse Themen zu diskutieren und eine Kultur des Zuhörens und der Toleranz zu fördern.
Im Februar 2025 wurde der Ruhr-Universität das Zertifikat Vielfalt Gestalten vom Stifterverband verliehen. Die Zertifikatsverleihung würdigt, dass die RUB in kurzer Zeit viele Diversitätsmaßnahmen erfolgreich umgesetzt und eine diversitäts- orientierte Hochschulkultur entwickelt hat. Sie gilt es weiter zu fördern. Der Zertifizierung ging ein zweieinhalbjähriger Auditierungsprozess mit vielen Workshops, Diskussionen und Reflexionen voraus. Dieser Prozess bildet die Grundlage für die hier vorgelegte Diversitätsstrategie. Insgesamt wurden 25 Maßnahmen entwickelt mit den Zielen einer nachhaltigen Verankerung von Diversität in den Strukturen der Universität, der Förderung eines diversitätsorientierten Kulturwandels, der Würdigung von Diversitätsengagement und einer intensivierten Kooperation innerhalb der UA Ruhr. Diese Ziele wurden weitgehend erreicht und die 25 entwickelten Maßnahmen mehrheitlich implementiert.4 Im Rahmen von Re-Auditierungen werden Zielbestimmungen und Maßnahmendefinitionen kontinuierlich überprüft und aktualisiert, so dass die Strategie keine feste Laufzeit hat, sondern in diese Prozesse eingebettet ist.
Durch das Audit konnten detaillierte Erkenntnisse gewonnen werden, welche spezifischen Herausforderungen im Bereich Diversität an der Universität weiterhin bestehen und zu bearbeiten sind. Als erstes ist hier eine transparente Kommunikation zu nennen. Die Hochschulkommunikation hat ein Diversity-Portal geschaffen, auf dem aktuelle News, die Ansprechpersonen für unterschiedliche Beratungsstellen und viele weitere Informationen zu finden sind. Doch zeigt sich, dass dies nicht ausreicht, um an einer so großen Universität wie der Ruhr-Universität die Menschen effektiv zu erreichen. Auch Newsletter und Social Media haben nur begrenzte Durchschlagskraft. Jenseits der elektronischen Kommunikationswege sind deshalb Face to Face-Formate wie Workshops/Dialoge mit der Prorektorin oder direkte Kontakte zu den Fakultäten und verschiedenen Gruppen weiterzuentwickeln und zu pflegen. Diversitätspolitik ist nicht an Ämter zu delegieren, sondern auf eine Kultur des Mitmachens angewiesen. Ziel ist deshalb, mit möglichst vielen über Diversität zu sprechen und die Diversitätsthemen in den täglichen Universitätsbetrieb zu integrieren.
Ein weiteres zentrales Handlungsfeld ist die strategische Zusammenarbeit auf UA-Ruhr-Ebene. Die Prorektorate für Diversität der TU Dortmund, der Universität Duisburg-Essen und der Ruhr- Universität haben eine gemeinsame Diversitätsstrategie und ein Mission Statement zu Diversität und Internationalität entwickelt. Unabhängig vom Erfolg der Exzellenzstrategie gilt es, diese Kooperation auszubauen. Es soll eine Research Community zu Diversität gebildet werden, um die Diversitäts- und Genderforschung an den drei Standorten zu koordinieren, zu vernetzen und Verbundprojekte zu entwickeln. Diversität fördert zukunftsweisende Lösungen in der Wissenschaft. Durch die Pluralität der Perspektiven und Erfahrungshintergründe werden innovative Forschungsprojekte gefördert und neue Fragehorizonte entwickelt. Unsere gemeinsamen Aktivitäten beziehen sich darüber hinaus auf die Koordinierung bestehen- der und künftiger Maßnahmen zur Förderung und Unterstützung von Diversität und Gleichstellung. Im Bereich der Lehre wird im Jahr 2025 innerhalb der UA Ruhr ein gemeinsames Zertifikat bzw. Microcredential für Diversität und Gender für Studierende eingeführt. Ein Netzwerk Antidiskriminierung mit kollegialer Fallberatung und gemeinsamen Veranstaltungen und Kampagnen existiert bereits auf UA-Ruhr-Ebene. Diese Kooperationsprojekte sind weiter auszubauen und zu konkretisieren.
Ein weiteres Ziel für die Zukunft ist es, ein Diversity Monitoring zu etablieren. Bislang wissen wir wenig über die Zusammensetzung der Gruppe der Wissenschaftler*innen. Erkennbar ist, dass die Heterogenität der Studierenden kontinuierlich zunimmt, aber die professoralen Mitglieder deutlich weniger divers sind. Das gilt insbesondere mit Blick auf People of Color, die nur wenig in der Professor*innenschaft vertreten sind. Ziel eines gemeinsamen Projektes der Universitätsallianz ist es, die Diversität von Wissenschaftler*innen – von der Promotionsphase bis zum Antritt der Professur – systematisch zu erfassen, Hindernisse in den Karrierestufen auf dem Weg zur Professur auf Diversitätsaspekte hin zu unter- suchen und Maßnahmen zu entwickeln, die die Chancengerechtigkeit in der Qualifikationsphase im deutschen Hochschulsystem stärken. Mit diesem Vorhaben leistet die UA Ruhr Pionierarbeit in Sachen Diversity Monitoring. Evidenzbasiert wird dies dazu führen, dass die Potentiale von Diversität für Innovation und Exzellenz in der UA Ruhr-Forschung erkannt und entwickelt werden. Erprobte Maßnahmen werden direkt zu den Forschungsorientierten Gleichstellungs- und Diversitätsstandards der DFG für UA Ruhr-Clustervorhaben beitragen. An der Ruhr-Universität werden die Erkenntnisse aus diesem Projekt überdies direkt mit den „Neuen Karrierewegen“ für Early Career Researcher verknüpft. Die Ruhr-Universität plant darüber hinaus ein Monitoring mit Blick auf Studierende, um ihnen passgenauer Informationen, die sie betreffen und wünschen, vermitteln zu können, dies insbesondere beim Onboarding zu Studienbeginn. Darüber hinaus streben wir an, mehr über die Probleme von Studierenden herauszufinden, um ihren Bedürfnissen gezielter zu begegnen und über ein Mentoring den Erfolg von Maßnahmen evaluieren zu können.
Seit der Corona-Pandemie haben Mental Health Probleme signifikant zugenommen. Der RUB ist es ein großes Anliegen, die Gesundheit und Resilienz ihrer Angehörigen zu fördern. Gesundheitskompetenz ist eine zentrale Zukunftskompetenz und ein Schlüssel für Chancengerechtigkeit, da insbesondere marginalisierte Studierende mit höheren psychosozialen Belastungen konfrontiert sind. Die Psychologische Studienberatung widmet sich der studentischen mentalen Gesundheit sowie dem Gesundheitsmanagement und entwickelt gezielte Präventions- und Unterstützungsangebote. Das Dezernat für strategische Personalentwicklung macht Beschäftigten Angebote zur Stärkung der mentalen Gesundheit und schult Führungskräfte mit Blick auf gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen. Für neurodivergente Personen ist eine Anlaufstelle zu entwickeln, die sie berät und überdies, zusammen mit der studentischen Initiative Campus Neurodivers, für die besonderen Herausforderungen und Bedarfe von neurodiversen Studierenden und Beschäftigten sensibilisiert.
Künftig ist ferner darauf zu achten, dass unconscious bias Trainings für Führungskräfte mit Blick auf Personalauswahlprozesse weiter ausgebaut werden. Bislang werden unconscious bias Videos in Berufungskommissionen eingesetzt und die Berufungsbeauftragten zu entsprechenden Trainings eingeladen. Auch wird Professor*innen bei einer Neuberufung nahegelegt, ein unconscious bias Training zu absolvieren. Das Konzept unconscious bias bezieht sich auf Verzerrungen in der Wahrnehmung und im Urteilsvermögen, die bei allen Menschen auftreten und in der Regel nicht reflektiert werden. So tendieren Menschen beispielsweise dazu, Personen, die ihnen selbst ähnlich sind, als sympathischer und kompetenter als andere Personen(gruppen) wahrzunehmen. Unbewusste Vorurteile führen dementsprechend dazu, dass bestimmte Personen(gruppen) bei Auswahlprozessen einseitig privilegiert bzw. benachteiligt werden. Sie verhindern eine objektive Auswahl nach Qualitätskriterien und damit die Bestenauslese.
Eine neue gesellschaftliche Herausforderung, der sich die Ruhr-Universität künftig verstärkt widmen muss, ist die Demokratiegefährdung. Im Zuge sich radikalisierender Bewegungen und Parteien werden die liberale Demokratie und mit ihr freiheitliche Werte und Lebensstile in Frage gestellt. Wissenschaftler*innen aller Fachrichtungen, insbesondere in der Gender- und Diversitätsforschung, sind von Anfeindungen und Diffamierungen betroffen. Das ist nicht hinnehmbar. Wir werden uns künftig vermehrt mit der Frage befassen, wie Wissenschaftler*innen vor Angriffen auf die Wissenschaftsfreiheit effektiv geschützt werden können.
Darüber hinaus hat die Ruhr-Universität einen gesellschaftlichen Auftrag (social impact). Die RUB wird deshalb verstärkt die Aufgabe der Demokratiebildung wahrnehmen. Hochschulen haben grundsätzlich die Verantwortung, Studierende zu mündigen Bürger*innen aus- und weiterzubilden und jeder Person, gleich welcher Herkunft, die Möglichkeit zu geben, zu studieren und das Universitätsleben mitzugestalten. Aus Forschungsperspektive besteht die Verantwortung auf Basis des Grundgesetzes darin, Forschung frei betreiben zu können, ohne zensiert zu werden. Darüber hinaus geht es darum, sich inhaltlich mit zentralen Problemen der Gesellschaft zu befassen und eine offene Debattenkultur zu fördern. Auf diese Weise leisten Hochschulen einen wichtigen Bei- trag zur Sicherung der Demokratie. Umgekehrt stellt die Demokratie die zentrale Grundlage für die Wissenschaftsfreiheit und Autonomie der Hochschulen dar.
„Für mich ist Diversität eine essentielle Grundlage für Qualität.“
Die Ruhr-Universität setzt sich für eine pluralistische, diversitätssensible und weltoffene Kultur auf dem Campus und in der Gesellschaft ein, sie zeigt eine klare Haltung zur liberalen Demokratie und wendet sich gegen Extremismus. Um den neuen Herausforderungen zu begegnen, werden vom Zentrum für Wissenschaftsdidaktik und von der Antidiskriminierungsbeauftragten Fortbildungsformate für Lehrende und Führungskräfte mit Blick auf den Umgang mit demokratiefeindlichen Äußerungen oder Handlungen angeboten. Mit den Fakultäten wird das Gespräch über weiterführende Initiativen gesucht. Auch Beschäftigten anderer Statusgruppen werden gezielte Trainings- und Austauschangebote zur Demokratiebildung gemacht. Darüber hinaus gibt es spezielle Gesprächsformate für Studierende. Ins- besondere vulnerable Gruppen sind dabei in den Blick zu nehmen. Es geht darum, den Dialog, das wechselseitige Verstehen und eine Kooperation über alle Differenzen von Herkunft, Geschlecht und Kultur hinweg zu fördern.
Es ist mit Blick auf die gesellschaftlichen Multikrisen elementar, die Komplexität gesellschaftlicher Entwicklungen zu verstehen. Die Universität ist dafür ein hervorragender Ort. Sie distanziert sich als Ort der Wissenschaft von einfachen Kausalitätszuschreibungen und sogenannten alternative facts. Sie setzt letzteren wissenschaftliche Fakten entgegen, analysiert umsichtig die gesellschaftlichen Konflikte und Problemlagen und wirkt einseitigen Betrachtungsweisen entgegen. Schon allein dadurch trägt sie zur Demokratiebildung, zu einer konstruktiven Pluralität der Perspektiven und zur Citizenship bei.